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Muss die Haftpflicht des Unfallverursachers die Desinfektionskosten der Werkstatt tragen?

Wer oft im Rahmen der Rechtsverfolgung über Jahre auf Seiten von Geschädigten Schadensersatz nach einem Kfz-Unfall einfordert, muss sich immer wieder auf neue Schadenspositionen einstellen, die die Versicherungen mit fantasiereichen Argumenten nicht zahlen wollen. 

 

Nun findet sich auf Werkstattrechnungen neuerdings eine Position wieder, die nun seit Monaten zahlreiche Gerichte beschäftigte: Die Desinfektionskosten der Werkstatt für das Auto.

 

Das sind die Kosten, die die Werkstatt einen in Rechnung stellt, wenn das Auto nach der Reparatur noch einmal innen desinfiziert wird, damit keine Keime der Mitarbeiter zurückbleiben und die Auftraggeber mit Corona infiziert werden.

Oftmals betragen diese Kosten zwischen 20,00 € und 50,00 €.

 

Und wer meint, dass diese Position ja wohl aufgrund der geringen Höhe von der Versicherung sicher gezahlt wird, der irrt.  Die Versicherungen kämpfen um jeden Cent und lassen es im Zweifel auf eine Klage ankommen. Gut, wer dann eine Rechtsschutzversicherung mit geringer Selbstbeteiligung hat und diese Kosten einklagen kann. 

 

Übrigens: Wer nach einem Unfall zunächst auf einen Anwalt verzichtet, weil er "kein großes Ding" daraus machen will und hofft, dass die Versicherung im Gegenzug mal ein Auge zudrückt - immerhin hat man ja den teuren Anwalt weggelassen - der irrt. Genau diesen Menschen werden erst Recht Schadenspositionen gestrichen und nicht gezahlt, denn sie sind einfache Opfer.

 

Doch was sagen die Gerichte nun zu den Desinfektionskosten?

 

Grundsätzlich gilt: Die Haftpflichtversicherung hat dem Geschädigten die Kosten zu ersetzen, die durch den Unfall entstanden sind.

 

Dabei ist die Rechtsprechung sehr geschädigtenfreundlich, wenn man sein Auto wirklich reparieren lässt und eine Werkstattrechnung vorlegt. Dann sind sogar erhöhte Stundensätze, unnütze Reparaturen und Reparaturschritte zu ersetzen, die bei einer Reparatur ohne Versicherungsbeteiligung nicht gemacht und berechnet worden wären. Es ist nämlich dem technisch laienhaften Geschädigtem grundsätzlich nicht zuzumuten, das Risiko für eine erhöhte Rechnung  zu tragen und neben einem Prozess mit der Versicherung wegen Schadensersatz danach gegebenenfalls noch einen Prozess mit der Werkstatt wegen überteuerter Rechnung zu führen. Außer, die überteuerte Reparatur ist offensichtlich.

 

Daher bestehen nun regelmäßig keine Probleme , wenn tatsächlich repariert wurde und Desinfektionskosten auf der Rechnung auftauchen. So haben zum Beispiel das Amtsgericht München (Urteil vom 06.08.2021 - 322 C 7536/21) oder das Amtsgericht Weilburg (Urteil vom 24.08.2021 - 5 C 169/21) diese Kosten zuerkannt. Wohlgemerkt: Die Reparatur war bereits durchgeführt, das Kind also in den Brunnen gefallen. 

 

Anders sieht es jedoch aus, wenn der Geschädigte gar nicht reparieren will. Er darf nämlich durchaus die fiktiven Reparaturkosten verlangen, also die Kosten, die entstehen würden, falls er tatsächlich reparieren würde. 

Und dies lässt sich regelmäßig nur durch einen Sachverständigen ermitteln, der ein Gutachten zu der erforderlichen Reparatur erstellt. Dabei ermittelt er, welche Reparaturschritte notwendig sind und wieviel sie üblicherweise im Umland kosten werden. Und da die Gutachter immer eng mit den Werkstätten Kontakt halten, entgehen ihnen natürlich diese zusätzlichen Schadenspositionen nicht und werden prompt in das Gutachten mit aufgenommen. Warum auch nicht, denn das Honorar der Gutachter wiederum richtet sich nach der Höhe des Schadens (wie bei Anwälten in solchen Fällen übrigens auch). Sodann kann man die Netto-Reparaturkosten als Schadensposition von der Versicherung verlangen. 

 

Und wo es ein Gutachten gibt, ist ein Gegengutachten oft nicht weit entfernt. Dieses haben Versicherungen dann auch schnell zur Hand und kürzen munter darauf los. Wo jedoch Positionen aus dem Gutachten, die immer wieder gekürzt werden, längst alte Hüte sind und mit Verweis auf einschlägige Rechtsprechung doch noch erstattet werden (spätestens hier kommen die Pfennigfuchser unter den Geschädigten, die auf einen Anwalt verzichten wollten, nicht weiter), sind sich die Gerichte deutschlandweit noch nicht einig, ob diese Position nun zu einer erforderlichen Reparatur gehört oder nicht. Diese Maßnahmen könnte auch Gemeinkosten sein und wären daher schon in die allgemeinen Stundensätze eingepreist. Oder es handele sich um Arbeitsschutzmaßnahmen. So hat das Amtsgericht Hannover  (Urteil vom 10.02.2021 - 431 C 9575/20) wie auch zahlreiche andere Gerichte diese Kosten als nicht erforderlich oder zumindest nicht mehr kausal durch den Unfall verursacht beschrieben. Leider gibt es hier also (noch) kein eindeutiges Ergebnis. Man muss die "Rechtsprechungsszene" und die Entwicklungen daher im Auge behalten.

 

Doch schon jetzt kann man sagen: Es ist wichtig bei einem Verkehrsunfall von Anfang an einen Anwalt an der Seite zu haben, der sich in der Rechtsprechung auskennt und den Mandanten so anleitet, dass dieser möglichst alle Schadensposition erstattet bekommt. Dabei ist es oft schon auf der vorgerichtlichen Ebene möglich, mit den Sachbearbeitern der Versicherungen durch Verweise auf einschlägige Urteile seine Positionen erstattet zu bekommen. Je später ein Anwalt eingeschaltet wird, desto weniger ist manchmal noch der Fall zu retten.

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